Die große Täuschung vom „Öko-Zeitgeist“

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Schlägt man dieser Tage die Zeitung auf, recherchiert im Internet oder sieht man sich die Wahlprogramme nahezu aller ernst zu nehmenden politischen Parteien an, so könnte man meinen, Klima- und Umweltschutz sei das alles bestimmende Thema für die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Und die Wissenschaft, auf die wir ja alle nicht nur in der Corona-Pandemie hören sollten, gibt uns immer wieder und immer eindringlicher Anlass, endlich weg von den Überbietungswettbewerben bei den Klimazielen hin zu echten Klimaschutzmaßnahmen zu kommen. Da ist aktuell der Klimabericht des IPCC zu nennen, der in einer nie dagewesenen Eindringlichkeit verdeutlicht, dass uns die Zeit für Maßnahmen die geeignet sind, das „1,5-Grad-Ziel“ zu erreichen, wesentlich früher davonläuft als ursprünglich gedacht. Den Wissenschaftlern zufolge wird das um 2030 sein – also schon in rund neun Jahren. Berechnet man hier die Mühlen der Gesetzgebung und Bürokratie mit ein, ist die Zeit für eine Umstellung unserer Lebensweise eigentlich quasi schon abgelaufen.

Es kommt aber noch schlimmer: Die angebliche Bereitschaft der Bevölkerung, endlich auch persönlich die dem Klimaschutz zuträgliche Askese zu leben, ist eine reine Illusion. Das von den Grünen in diesem Wahlkampf beschworene „Bereit, weil ihr es seid“ ist eher ein Wunschtraum als ein Abbild der Realität. Natürlich gibt es in den grünen Filterblasen der Metropolen Ansätze für ein Umdenken (ein „Umleben“ wäre aber besser), doch in der Fläche ist die Diskrepanz zwischen Anspruch der grünen Bewegung und der von verständlichen Sehnsüchten geleiteten Ökonomie-Logik und von Wohlstandsutopie geprägten Lebensweise nach wie vor frappierend.

Grün wählen, im Grünen wohnen, Bäume fällen

Verlässt man einmal die meist städtischen grünen Filterblasen, in denen sonntags per Fahrradkorso für autofreie Innenstädte demonstriert wird, so findet man in der Peripherie noch immer das vor, was ein Anton Hofreiter eigentlich gern verbieten würde – den hemmungslosen Flächenfraß, Verbrennungsmotor-Mobilität und allerlei andere Sünden, die wir uns eigentlich nicht mehr leisten können.

Das Bild weiter oben etwa ist in Oberfranken erst kürzlich entstanden, wo direkt am Waldrand ein Eigenheim mit Garage am Ortsrand gebaut werden soll, wo bis vor wenigen Wochen noch Bäume, Gestrüpp und sicher allerlei seltenes Getier zu Hause war. Und nur einen Steinwurf entfernt im Dorfkern verfallen Häuser und leer stehende Grundstücke durch Landflucht und demografischen Wandel. Aber keinen Vorwurf an die junge Familie, die hier offenbar bauen will und wird: Sie hat die ordnungsgemäße Baugenehmigung und es ist natürlich billiger, ein paar Robinien zu fällen, als einige hundert Meter weiter ein altes Haus abreißen und das Asbestdach entsorgen zu lassen. Ökonomische Zwänge eben. Und der Lebenstraum vom Eigenheim ist für viele Menschen selbst auf dem platten Land mit den eher moderaten Bodenpreisen oft nur mit schmerzlichen Kompromissen realisierbar. Da ist das kleine Wäldchen am Dorfrand natürlich das schwächste Glied in der Kette.

Und warum wird so etwas in 2021, wo sich doch auch die bayerische Landesregierung dem „Kampf gegen den Flächenfraß“ verschrieben hat, noch genehmigt? Das sind eben auch wieder ökonomische Zwänge, denn Grundsteuern, Grunderwerbsteuer und andere einwohnerbezogene Einnahmen sind natürlich in jeder von Landflucht betroffenen Gemeinde hoch willkommen. Deswegen werden in der Fläche auch weiter unbeirrt völlig überdimensionierte Baugebiete ausgewiesen und auch das in Verruf geratene „Gewerbegebiet auf der grünen Wiese“ ist längst noch kein Auslaufmodell.

Sommer, Sonne, Südseeflug

Szenenwechsel: Deutschland hat Sommerferien und nach quälenden Monaten des Lockdowns ist dieser Sommer für viele Familien die erste Gelegenheit seit einem Jahr, wieder einmal richtig Urlaub zu machen. Das Fernweh vieler Menschen ist insoweit vollkommen verständlich. Weniger verständlich ist angesichts der offensichtlich dringenden Klimaschutzmaßnahmen, dass sich nun wieder Schlangen an den Flugschaltern bilden und mit vollem Kerosintank in die Südsee geflogen wird. Der umweltfreundliche Urlaub per Fahrrad in der Stadtumgebung erfährt jedenfalls wenn überhaupt nur eine mäßige Konjunktur. Auf der Autobahn sind die Staus auch noch nicht kürzer geworden und dafür, dass angeblich eine Mehrheit der Deutschen für ein generelles Autobahn-Tempolimit ist, wird auf der linken Spur nach wie vor irritierend oft mit „Bleifuß“ gefahren.

Klimaschutz und die Deutschen – das ist nach meiner Wahrnehmung immer noch eher so ein „Wasch‘ mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“-Spielchen. Es wird spannend zu sehen, wie die neue Bundesregierung die dann dringend nötigen politischen Rahmenbedingungen für den „1,5-Grad-Kurs“ vermitteln und umsetzen will. Schauspieler Tom Cruise hatte in „Mission Impossible“ vergleichsweise harmlose Herausforderungen …

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