Die kleinen Sauereien im Sommerloch

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Foto oben: Romantische Sonnenuntergänge im Weinberg im Sommer, ein böses Erwachen im Herbst? Leider ein wahrscheinliches Szenario.

Deutschland ist im Urlaub – selbst der Bundeskanzler wandert im schönen Allgäu, anstatt im Kanzleramt Staatsgäste zu empfangen oder Koalitionsausschüsse zu moderieren. Die Nachrichtenlage ist dementsprechend dünn, die Aufmerksamkeit der Deutschen ist gedämpft – es ist also die klassische Zeit des „Sommerloch“ und damit ein idealer Zeitraum, um den Bürgerinnen und Bürgern kleine politische Gemeinheiten unterzujubeln.

So geschehen am vergangenen Freitag, als Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Urlaub für eine von den Medien womöglich hitzebedingt schief dargestellte Botschaft unterbrach, die zunächst den (erwarteten) Staatseinstieg beim angeschlagenen Gasimporteur Uniper enthielt. Im Nebensatz verbarg der Kanzler jedoch eine ausgesprochen problematische Ankündigung, die alle Gas-Verbraucher in Deutschland ab September oder Oktober zu einer verbrauchsabhängigen Zwangsumlage auf den Gaspreis verpflichtet, um quasi die Staatsrettung von Uniper gegenzufinanzieren. Anstatt aber den sozialpolitischen Kamikazeangriff ausgerechnet eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers entsprechend zu kommentieren, war in vielen Berichten und Artikeln dazu irritierenderweise von „neuen Entlastungen“ für die Bürgerinnen und Bürger in der Energiekrise die Rede, nur weil Scholz nebenbei etwas wolkig eine Wohngeldreform für die Transferleistungsempfänger angekündigt hat. Die unteren Einkommensschichten oberhalb des Wohngeldanspruchs aber werden zusätzlich zu den gepfefferten Gasrechnungen ihrer Versorger nun weitere 2 Cent je Kilowattstunde für die „Lex Uniper“ bezahlen. Damit wird zwar nicht direkt der Einstieg des Bundes bei dem Unternehmen finanziert, aber es ist ein Freibrief für Zuwendungen der Kunden als „Gegenleistung“ für steigende Gas-Einkaufspreise. Ein sichereres Einkommen hat nur die GEZ. Und sowas nennt sich dann „weitere Entlastungen“ für Energiekunden.

„Niemand wird im Stich gelassen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz

Nun ja. Dieser denkwürdige Satz klingt im oben illustrierten Zusammenhang eher wie das Ulbricht‘sche „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“. Fakt ist, dass Deutschland in dieser sozial explosiven Gemengelage von Inflation, Energiekrise, Pandemie-Nachwirkungen und Rezession auf einen heißen Herbst zusteuert. Erschwerend kommt hinzu, dass die prominenten Maßnahmen des großen Entlastungspakets – Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket – Anfang September auslaufen und Bundesfinanzminister Christian Lindner eine Verlängerung schonmal vorsorglich abgelehnt hat.

Böses Erwachen

Es droht im September nach der weitgehend unbeschwerten Urlaubssaison also ein böses Erwachen der Deutschen. Nicht ausgeschlossen, dass da so manches hitzige Gemüt über die Stränge schlägt und nach französischem Vorbild mit Gelbweste auf die Barrikaden gegangen wird. Dies wohl ahnend, war der Zeitpunkt für die Ankündigung der Gasumlage offenbar bewusst gewählt.

Es ist ein einmaliger Vorgang, dass die Bürgerinnen und Bürger für die Rettung eines fossilen Energieriesen aufkommen müssen, der vor der Ukraine-Krise noch Milliardengewinne erwirtschaftet und Dividenden gezahlt hat. Zumal Uniper mehrheitlich dem finnischen Staatsunternehmen Fortum gehört – ein weiterer fader Beigeschmack. Ja, auch Fortum beteiligt sich in allerdings homöopathischen Dosen an der Uniper-Rettung, aber wenn das Unternehmen angeblich systemrelevant ist, warum wird dann nicht der finnische Staat als Mehrheitseigner auch mehrheitlich zu den nötigen Rettungsmaßnahmen verpflichtet? Das wäre die so oft beschworene europäische Solidarität.

Es ist jedenfalls nicht zu vermitteln, warum der einfache Bürger neuerdings wiederholt für politische Fahrlässigkeit verantwortlich gemacht und zur Kasse gebeten wird. Erinnern wir uns: Schon die Inflation und der ihr vorausgeschickte Hiobsbote Niedrigzins, der die Sparerinnen und Sparer schleichend enteignet, waren keineswegs Überraschungen, die aus heiterem Himmel kamen. All das war absehbar und wurde politisch sogar goutiert, bis der Inflationsgeist, den man gerufen hatte, außer Kontrolle geriet.

Es ist offenbar alternativlos, Uniper nun mit staatlichen Kreditlinien und einem Aktieneinstieg zu retten, aber die Gegenfinanzierung muss fairerweise aus dem Bundeshaushalt kommen – ohne, dass es anderswo durch Steuererhöhungen oder Umlagen beim Bürger angelandet wird. Es gibt übrigens genug unsinnige Subventionen, die man im Gegenzug abbauen könnte, man denke nur an das Dienstwagenprivileg oder den reduzierten Mehrwertsteuersatz für das Gastgewerbe. Es ist politisch jedenfalls doppelzüngig, in einem Atemzug die finanzielle Belastung der Bevölkerung zu beweinen und ihr gleichzeitig neue finanzielle Bürden aufzuhalsen.

Ungerechtigkeiten wohin das Auge blickt

Schon vor ein paar Tagen, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Deutschen Duschtipps und Sparauflagen auftischte, zogen nicht wenige Verbraucherinnen und Verbraucher genervt die Augenbrauen hoch. Denn komischerweise adressierte all das vor allem die gebeutelten Haushalte, nicht aber Unternehmen, Institutionen oder die öffentliche Hand selbst: Der Deutsche soll womöglich im Herbst wieder ins Homeoffice dürfen, damit der Arbeitgeber die Heizkosten im Büro senken kann, während sich der Angestellte daheim dumm und dämlich heizt und nun womöglich auch noch eine Gasumlage on top aufgebürdet bekommt.

Da tröstet der von Olaf Scholz ebenfalls schulterklopfend bemühte Satz „You‘ll never walk alone“ wenig. Wenn es doch wenigstens „You‘ll never pay alone“ geheißen hätte …

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