Das leise Sterben der Brauereien

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Foto oben: „Läuft.“ – Bei diesem Werbespruch einer lokalen fränkischen Brauerei kann es sich nur um einen Euphemismus handeln, denn die Geschäfte der mittelständisch geprägten Brauereien Frankens laufen nicht gut.

Wenn man auf der Bundesautobahn BAB 9 von Berlin südwärts in Richtung München aufbricht und irgendwann den Thüringer Wald hinter sich gelassen hat, kommt man in eine verwunschene Region namens Oberfranken, deren renitentes Völkchen zwar geografisch, keineswegs aber ethnisch dem Freistaat Bayern zugehörig ist.

Eines der ersten Autobahnschilder, die auf die Gegend hinweisen, heißt „Oberfranken – Land der Brauereien“. In der Tat ist nicht nur Bayern, sondern gerade auch Franken bekannt für die regional, handwerklich und oft familiär betriebene Braukunst. Neudeutsch würde man vielleicht „Craft-Beer“ dazu sagen, doch derlei Marketing-Sprech haben Frankens Brauereien eigentlich nicht nötig, denn all ihr gebrautes Bier ist frei Haus „Craft-Beer“, also in überschaubaren Mengen handwerklich gebrautes Bier in einer erstaunlichen Produkt-Vielfalt vom Hellen über das klassische Pilsener bis hin zum Weißbier, Kellerbier und dem in der Region verwurzelten und sagenumwobenen „Zoigl“.

Blanke Not hinter der idyllischen Fassade

Doch die Idylle des nie austrocknenden, süffigen Gerstensaft-Paradieses, das uns auf dem braunen Schild am Straßenrand entgegenfliegt und welches Reisende auf der Autobahn zu einem Besuch vor Ort verführen soll, trügt ganz gewaltig. Denn in der ohnehin seit vielen Jahren von konstantem Nachfragerückgang und dem aggressiven Wachstum ausländischer Brauereikonzerne gebeutelten Branche geht es vor allem jenen Betrieben an die Substanz, die hier in Oberfranken beheimatet sind. Sie sehen sich einem ruinösen Preiskampf im Einzelhandel gegenüber und mussten zuletzt in der Corona-Krise auch noch den wegbrechenden Gastronomie-Umsatz verkraften, der gerade bei den lokal verwurzelten Brauereien einen Großteil der Erlöse ausmacht.

Die Folgen, die bereits vor Corona einsetzten und sich in der Pandemie nur noch intensiver wie ein Flächenbrand durch die Sudhäuser fraßen, sind vor allem diese: Kleinstbetriebe schließen ihr Geschäft oder verwandeln sich aus blanker Not in einen schnöden Getränkehandel, größere regionale Brauereien ändern hastig ihr Geschäftsmodell und beliefern statt der umliegenden Gasthöfe zunehmend den regionalen Einzelhandel – müssen dabei jedoch Einbußen bei der Marge hinnehmen. Andere Betriebe setzen auf den Direktvertrieb und Lieferservice – ein ebenfalls sehr mühseliges Unterfangen. Fast allen Betrieben gemein ist ein insgesamt rückläufiger Absatz, den die Branche in „Jahresausstoß in Hektolitern“ akribisch genau statistisch festhält. Die Misere kann man beim Lobbyverband „Deutscher Brauerbund“ also quasi schwarz auf weiß mit Schaumkrone bekommen.

Buchstäblich wie „Sauerbier“ im Regal

Szenenwechsel. Ich irre mit meinem Einkaufswagen durch den neu erbauten EDEKA im oberfränkischen Weißenstadt. Um die Sorgen und Nöte der Brauereien wissend, suche ich wie immer ganz gezielt nach den Weißbieren der beiden Brauereien aus Wunsiedel ganz in der Nähe. Immerhin ist der lokale EDEKA-Kaufmann bemüht, diese regionalen Spezialitäten ständig im Sortiment zu haben. Sogar das legendäre „Weißenstädter Seezauber“ von der Privatbrauerei Michael aus dem Ort ist im Angebot. Doch der Lokalpatriotismus der Kunden hält sich offenbar in Grenzen. In diesen schwierigen Zeiten der Inflation, in der man lieber das aktuell im Angebot zum Dumping-Preis beworbene Konkurrenzbier aus der Großstadt Bayreuth kauft, anstatt 16 Euro für den Kasten aus Wunsiedel auszugeben, wird es für die darbenden Braumeister nicht leichter. Das bemerke ich auch an den Mindesthaltbarkeitsdaten. Im Regal stehen ein paar Einzelflaschen des „Hönicka-Bräu Weißbier“ mit dem Ablaufdatum 7.5.22. Wir sind bereits mitten im März! Auf meine Frage an den Fachverkäufer, ob ich von der Sorte auch noch einen „frischen Kasten“ bekommen könnte, zuckt dieser irritiert die Achseln. So nehme ich eine Kiste des „Lang-Bräu“, die immerhin noch zwei Monate länger haltbar ist. Währenddessen packt ein anderer Kunde am Ende des Regals einen Kasten „Paulaner“ ein. Der ist die Woche im Angebot und kommt aus dem fernen München.

An mir hat es jedenfalls nicht gelegen, wenn man in zehn Jahren nur noch die Biere multinationaler Bierkonglomerate in den Regalen findet. Aber die lokalen Braubetriebe haben abgesehen von den hier schon beschriebenen Herausforderungen auch ein absolutes Nachwuchsproblem bei ihrer Kundschaft. Darüber können auch vereinzelt coole Werbesprüche – siehe oben – nicht hinwegtäuschen. Die Jugend trinkt, so sie überhaupt noch zum Bier greift, lieber hippe Marken wie Heineken, Corona (sic!) oder Tyskie. Für die Zukunft der meisterhaft gebrauten Biere Frankens sieht es jedenfalls düster aus. Zumal neue Bedrohungen wie steigende Energiepreise und Lieferprobleme bei Getreide und Rohstoffen hier noch gar nicht erwähnt und „eingepreist“ sind.

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