Die seltsame Angst vor der Elektrifizierung des Autos

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In Deutschland geht die Angst um – mal wieder. Und wieder mal geht es dabei um Strom und Technologie – oder besser gesagt um die panische Angst davor. Nachdem die letzten Jahre vor „Monstertrassen“, also dem eigentlich dringend notwendigen Ausbau der Stromnetze, gewarnt und angeblich drohende Gesundheitsschäden dagegen buchstäblich ins Feld geführt wurden, ist nun das Elektroauto der neue Hassobjekt der deutschen Technikfeinde.

Und spätestens an dieser Stelle wird es vollkommen absurd, denn Elektroautos sollen ja gerade ein viel gefährlicheres Fortbewegungsmittel – nämlich den Verbrenner – ersetzen. Dieser stinkt, ist laut, macht krank und befeuert nachweislich die Klimakrise. Elektroautos dagegen stinken nicht, sind leise und fahren immer öfter klimaneutral, wenn sie Sonne und Wind in die Batterie geladen haben. Da sollte man doch eigentlich meinen, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens in Bezug auf die schnelle Elektrifizierung des Straßenverkehrs in Deutschland gibt.

Aber weit gefehlt: Mit allerlei mindestens esotherisch anmutenden Argumenten wird gegen das Elektroauto gewettert und es lohnt sich tatsächlich, hier mal genauer hinzuschauen, zumal man dann schnell auf den Verdacht kommt, dass diese „Argumente“ nicht nur konstruiert, sondern sogar von interessierten Kreisen aktiv gesteuert werden.

1. Elektroautos explodieren

Das aktuell heißeste Argument gegen Elektrofahrzeuge ist zugleich das Dämlichste: Bei einigen Herstellern wie zuletzt Hyundai hat es in einem verschwindend geringen Prozentsatz an Bränden im Zusammenhang mit der Batterie des beliebten Elektroautos „Kona“ gegeben. In keinem der Fälle sind dabei ernsthaft Menschen zu Schaden gekommen und Hyundai geht das Problem proaktiv und professionell an und ruft eine große Anzahl möglicherweise (!) betroffener Fahrzeuge vorsorglich in die Werkstätten zurück für weitere Untersuchungen. Aus diesen Einzelfällen werden in den Medien teilweise haarsträubende Verallgemeinerungen hergeleitet. Ein Parkhaus in der fränkischen Provinz darf wegen eines angeblichen Brandrisikos von Elektroautos von diesen gar nicht mehr angefahren werden.

Lustigerweise war der Auslöser der Verbannung ein Brandvorfall mit einem Verbrenner. Im Wort „Verbrenner“ steckt ja quasi schon das Word „Brandrisiko“, aber das ist natürlich egal, weil solche Autos fährt man ja seit Jahrzehnten, das ist dann gefühlt ungefährlich.

Selbst Feuerwehrverbände beschwichtigen inzwischen und Experten verweisen darauf, dass – wenig überraschend – zumeist Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren in Brand geraten und das nicht nur bei Unfällen. Auch scheint manchem Elektroautoskeptiker gar nicht bewusst zu sein, dass auch jedes herkömmliche Auto eine Batterie mit sich führt – meist enthalten diese auch noch giftiges Blei und müssten nach der Logik dieser Technikfeinde auch permanente Entzündungsrisiken sein.

2. Elektroautos sind ja gar nicht unweltfreundlich

Der Dauerbrenner in der Argumentationskette der „Petrolheads“ schlechthin: Elektroautos seien gar nicht umwelt- und klimafreundlich. Das in den Batterien enthaltene Kobalt oder Lithium werde oftmals unter sozial und ökologisch fragwürdigen Bedingungen abgebaut. Da ist sicherlich ein Stück Wahrheit dran, wobei die Industrie dieses Glaubwürdigkeitsproblem erkannt hat. In der modernsten, in Kürze marktreifeb Zellgeneration wird auf Kobalt bereits verzichtet, auch der Einsatz anderer „seltener Erden“ wird mit jeder Generation deutlich reduziert. Zudem überprüfen immer mehr Hersteller proaktiv ihre Lieferketten.

Der eigentliche Aufreger dieses Arguments gegen Elektroautos besteht darin, dass auch in diesem Fall der Verbrenner das weit größere Übel darstellt. Oder meinen die Freunde des Golf Diesel, dass der Treibstoff ihres Autos in Baden-Württemberg ökologisch angebaut wird und auf Ölbäumen wächst? Natürlich ist die Ölförderung weder ökologisch (Brent Spar und Exxon Valdez schon vergessen!?) noch sozial ein Vorbild – um es ganz vorsichtig auszudrücken. Und auch in Verbrennern kommen zum Teil „seltene Erden“ zum Einsatz, wie beispielsweise Platin in Katalysatoren und so weiter.

Auch der Umstand, dass Batterieproduktion sehr energieintensiv ist und die unbestreitbare Tatsache, dass noch nicht aller Autostrom aus erneuerbaren Quellen stammt, ist für die „Petrolheads“ ein Grund, das Elektroauto als umweltschädlich umzudeuten. Komischerweise kommt diese Kritik oft von denselben Leuten, die dann den Bau neuer Windräder oder Solaranlagen ablehnen.

In der Tat brauchen wir, um die Klimabilanz des Elektroautos weiter zu verbessern, noch wesentlich mehr Ökostrom in den Netzen. Aber daran wird ja gearbeitet, während der Trend bei Verbrennern, die ohnehin schon klimaschädlicher sind, noch immer zu mehr Hubraum und PS und damit zu mehr CO2-Emissionen geht. Wer im Glashaus sitzt …

3. Die (vermeintliche) Fokussierung auf Elektroautos widerspricht der Technologieoffenheit

Nun kommen wir endgültig in den Bereich der „fake news“, wenn Elektroautokritiker die deutsche Verkehrswende als zu stark auf Batteriefahrzeuge fokussiert geißeln. Man solle gefälligst dem Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen eine Chance geben, hört man dann oft.

Dabei ist die fehlende Technologieoffenheit nichts anderes als ein Ammenmärchen. Wasserstofffahrzeuge können die gleiche großzügige Förderung erhalten wie Batterieautos. Nur kauft diese halt niemand, wie an aktuellen Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) abzulesen ist. Und das hat triftige Gründe: Wasserstoff ist ein flüchtiges und höchst reaktionsfreudiges Gas. Transport und Lagerung sind daher aufwendig und es ist alles Andere als effizient, Wasserstoff erst aufwendig und energieintensiv (merken Sie was?) aus Wasser zu zu gewinnen, diesen Wasserstoff dann über teils weite Strecken zu transportieren und im Auto dann schließlich wieder zu Wasser zu „verbrennen“. Dabei entsteht übrigens – wie beim klassischen Verbrenner – überwiegend Wärme. Der Wirkungsgrad ist entsprechend dürftig, während die direkte Ladung von Ökostrom in die Akkus von Elektroautos ein technisch gesehen hoch effizienter Vorgang ist.

Die Wahrheit ist hart für die vorgeblichen Wasserstoff-Fans: Brennstoffzellenautos sind trotz Förderung schlichtweg nicht konkurrenzfähig. Deshalb finden sie sich in den Modellpaletten der Autohersteller kaum wieder – und in der Zulassungsstatistik des KBA schon gar nicht. Es hat also nichts mit fehlender Technologieoffenheit zu tun, wenn die batteriegetriebene Elektromobilität in aller Munde ist – der Kunde stimmt schlichtweg mit den Füßen ab, der Markt regelt das.

4. Elektroautos sind zu teuer

Da haben wir noch so ein Argument aus der Mottenkiste, beziehungsweise aus der längst vergangenen Zeit, als es außer einem 100.000 Euro teuren Tesla Model S keinerlei alltagstaugliche Modelle zu kaufen gab. Doch wir haben das Jahr 2021 und die Hersteller werfen praktisch im Wochenrhythmus neue E-Autos aller Größen- und Preisklassen auf den Markt. Hinzu kommt die Förderung von zusammen bis zu 9.000 Euro (Umweltbonus + Herstelleranteil), so dass man für gute 20.000 Euro bereits einen hochmodernen Elektrokleinwagen wie den Renault Zoe erstehen kann. Versuchen Sie das mal mit einem Verbrenner! Mehr noch: Im laufenden Unterhalt spielen E-Autos dann ihren ganzen Preisvorteil aus. In ihnen arbeiten weniger Verschleißteile, abgesehen von den Bremsen sogar fast gar keine. Damit sinken die jährlichen Werkstattkosten deutlich. Auch der Ladestrom ist meist günstiger als der Sprit an der Zapfsäule, zumindest wenn man daheim an der eigenen Ladesäule zu Haushaltsstrompreisen laden kann.

Man könnte diese Abhandlung noch weiter führen. Das Bild zugunsten des Elektroautos würde sich nicht ändern. Nein, frei von Nachteilen sind auch Elektrofahrzeuge nicht und der Investitionsbedarf in den Aufbau der Ladeinfrastruktur bleibt in den nächsten Jahren hoch. Doch angesichts von „peak oil“ und Pariser Klimaabkommen ist diese Diskussion hier auch fast schon müßig. Denn die Elektrifizierung des Straßenverkehrs mit Ökostrom ist alternativlos.

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