Elsässer Weine: Süß und ungewöhnlich

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Foto oben: Als sei das Mittelalter hier nie zu Ende gegangen – das malerische Elsässer Winzerstädtchen Ribeauville

Als Liebhaber typisch französischer Weine hat man eine Region in unserem westlichen Nachbarland garantiert nicht im Sinn: das Elsass. Jenes, im Sommer oft brütend heiße Tal zwischen dem Rhein im Osten und den dicht bewaldeten aber lieblichen Hügeln der Vogesen im Westen, an deren sanft abfallenden Flanken die Weinberge der meist kleinbäuerlichen Elsässer Winzer stehen.

Das Elsass ist in Sachen Wein gewissermaßen so etwas wie das gallische Dorf, eine Trutzburg altmodisch daherkommender Vinifikations-Methoden und schwerer, teils süßer Weißweine, wie man sie sonst wohl nur in Griechenland in schummrigen Hafen-Spelunken erwarten würde.

Aber wer da nicht genauer hinsieht oder am Besten gleich hinfährt und sich die pittoresken mittelalterlichen Weingüter genauer anschaut, hat vielleicht das schönste Juwel der französischen Weinkunst verpasst.

Das Elsass hat nämlich so viel mehr zu bieten als den fuseligen Edelzwicker aus der Literflasche. Hier gedeihen die Weinstöcke für die „Grand Cru“-Lagenweine, die in dieser Machart nach meinem Dafürhalten weltweit einzigartig sind.

Und ich muss hier eine kleine Anekdote von meiner ersten Weintour ins Elsass vorwegschicken. Damals war ich ein Freund von trockenen Loire-Weißweinen, schätzte edle Sancerre oder Pouilly-Fumés. Und ähnliche Kaliber dachte ich im Elsass zu finden, als ich nach einer langen Autofahrt mit trockener Kehle in die erste Vinothek der Region einfiel. Das war 2017.

Und es war – ich weiß es noch genau – ein furchtbar kulturloser Laden des eher Massenware produzierenden Weinguts Bestheim und hinter dem Tresen standen auch noch zwei junge Verkäuferinnen, die ihre Produkte – diplomatisch ausgedrückt – den im Elsass noch unkundigen Gästen wie mir nur schlecht beratend und damit kaum näher bringen konnten. Ich steckte meine Nase zunächst in einen Grauburgunder, den man im Elsass Pinot Gris nennt und der in der Regel kaum etwas mit seinen Rebgenossen aus der einige Kilometer entfernten deutschen Südpfalz gemein hat. Der Wein schmolz mir auf der Zunge wie eine fruchtige Praline dahin. Ein zunächst verstörendes, dann aber betörendes Erlebnis war das für mich, denn es war nicht einfach der Restzucker der meist halbtrocken ausgebauten Weine, der hier besonders daher kam, sondern auch die Fülle reicher und floraler Aromen.

Und damit hatte ich sozusagen nur das Beginner-Level des Elsass-Spiels erlebt und absolviert, denn ein richtiger Weinprofi Elsässer Schule muss einen Gewürztraminer Grand Cru degustiert und verstanden haben. Bis zu diesem Punkt dauerte es für mich dann noch drei Stunden, das war einige Dörfer weiter in Ammerschwihr beim Weingut Kuehn, das übrigens über den schönsten Weinkeller verfügt, den ich je betreten habe. Ein von Nebelschwaden durchzogenes, geheimnisvolles Gewölbe, dessen Alter man sich gar nicht zu schätzen traut mit riesigen, ovalen Holzfässern – die neumodischen Stahltanks sucht man dort vergeblich.

Doch ich schweife ab, wir waren beim Gewürztraminer, bei dem man zwar zunächst eher an Südtirol und das gleichnamige Weindorf Tramin denkt, aber hier – im Elsass – kommt der charakteristische Rosenduft und das Bukett von einem leicht überreifen Obstsalat mit Rosinen so richtig mit Macht aus dem goldgelben Wein heraus. Die Sorte Gewürztraminer ist ja ohnehin ein Fossil im besten Sinne, viele heutige Rebsorten haben die „Ursorte“ Gewürztraminer irgendwie in ihrem Kreuzungs-Stammbaum.

Und ich empfehle heute, einige dutzend Gläser verschiedener Elsässer Gewürztraminer später, nicht beim Preis hinzuschauen, sondern mindestens einen Grand Cru aus den besten Lagen, wie Mambourg, Zinnkoepfle oder Kaefferkopf zu nehmen. Ein Geheimtipp sind auch die fast von einer honigähnlichen Konsistenz ins Glas fließenden Süßweine, die Spätlesen „Vendanges Tardives“. Auch hier ist der Gewürztraminer aus meiner Sicht das Maß aller Dinge. Probieren Sie einen solchen mal als Dessertwein zu Ziegenkäse und Zwiebelkonfit!

Sicher wird das Elsass manchen Weinliebhabern zu speziell sein. Hier ist alles anders, Wein-Weisheiten gelten hier zwar auch – aber exakt andersrum. Sind die halbtrockenen Weine in Deutschland oder auch den USA eher der billige Fusel aus den unteren Supermarkt-Regalen, so steigt mit jedem Gramm Restzucker im Elsass die Qualität. Und natürlich auch der Preis. Dafür haben die Grand Crus oft ein beachtliches Lagerpotenzial und entfalten ihre Klasse erst nach fünf bis sieben Jahren in der Flasche.

Das Elsass ist für mich die faszinierendste Weinregion der Welt und ich darf dieses Superlativ bemühen, denn ich habe schon Weine und Weinberge in vielen Ländern in Augen- und Gaumenschein genommen, darunter Azerbaijan, Jordanien, Südafrika, USA, Kanada, Schweiz und natürlich Deutschland.

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