Zum Heulen in den Heizungskeller

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Foto oben: Wer ein solches Schild im Keller hat, sollte sich Gedanken machen – die Zeit der fossilen Heizungen läuft ab.

Deutschlands Immobilieneigentümer schlittern momentan von einer Energiekrise in die nächste. Nachdem mit dem ausklingenden Winter nun zunächst die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der durch den russischen Feldzug in der Ukraine ausgelösten Gas- und Energiekrise passé sind, ziehen neue und nicht minder dunkle Wolken am Immobilienhimmel auf. Notwendigkeiten, die das deutsche Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzabkommen nach sich ziehen, kommen nun mit Macht auch bei den Hauseigentümern an. Und so überrascht wie manche Häuslebauer und Wohneigentümergemeinschaften jetzt auch tun mögen – es war abzusehen. Einmal deshalb, weil seit vielen Jahren klar ist, dass der Gebäudesektor das nur unter größten finanziellen und technischen Mühen zu dekarbonisierende „Schmuddelkind“ des Klimaschutzes ist. Nur im Verkehrsbereich ist Klimaschutz ähnlich schwierig, aber dort ist im Grunde klar, wie es laufen kann und muss. Weiterhin war spätestens mit dem Festzurren des „Ampel“-Koalitionsvertrages das Ende fossiler Heizungen in Deutschland mit einem ungefähren Enddatum besiegelt.

Der Gebäudebereich ist ferner schon mit einer großen Hypothek in das Zeitalter der unabdingbaren Klimaschutzmaßnahmen gestartet. Denn schon lange vor dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Ukrainekrieg gab es einen eklatanten Sanierungsstau in deutschen Heizungskellern. Aber das kümmerte bis dato kaum jemanden, denn Öl und Gas waren billig und im Überfluss vorhanden. Gern wurde zudem darauf verwiesen, dass deutsche Gebäude im weltweiten Maßstab vergleichsweise modern und energieeffizient seien – weil oft gedämmt und mit modernen Fenstern und schickem Energieausweis und und und.

Das böse Erwachen mit der Sanierungsrechnung

Jetzt werden die Karten jedoch neu gemischt und zwar sehr zum Nachteil der Sanierungsmuffel und vermeintlichen Sparfüchse unter den Eigentümern, die nun plötzlich in einem toxischen Umfeld von Inflation, steigenden Kreditzinsen, Fachkräftemangel im Handwerk und unklaren politischen Rahmenbedingungen Investitionsentscheidungen treffen müssen. Die bisher weit verbreitete Haltung „Der alte Kessel läuft doch noch“ wird nun plötzlich zum Risiko für die private Altersvorsorge, denn eines ist klar: Schlecht oder unzureichend sanierte Immobilien werden künftig zu Ladenhütern am Immobilienmarkt, außer vielleicht in absoluten Top-Lagen, wo Investoren zuschlagen, denen es auf sechsstellige Zusatzkosten für Dämmung und neue Heizung nicht ankommt.

Den Druck, die bisher streng gehütete Rücklagen-Schatulle zu öffnen, spüren nun beinahe alle Immobilieneigentümer, zumal die Bundesregierung nun Ernst macht mit der Regulierung und ab 2024 bei Sanierung nur noch zu mindestens 65 Prozent erneuerbar gespeiste Heizsysteme zulässt. Das führt zwar nicht – wie manche voneinander falsch abschreibenden Journalisten behaupten – zu einer de facto Wärmepumpen-Pflicht, denn auch mit Solarwärme oder Pelletkesseln in Kombination lassen sich diese Bedingungen gut erfüllen, aber die Wärmepumpe wird in der Tat in den meisten Fällen der gangbare Weg sein. Doch der Weg ist in jedem Fall teuer, weil der bloße Kessel- und Brennertausch mit dem Umbau der kompletten Heizungsanlage auf ein Wärmepumpen- oder Solarthermiesystem finanziell nicht zu vergleichen ist. Und hinzu kommen sogenannte Folgesanierungen, denn Wärmepumpen machen meist nur in gut gedämmten Häusern wirtschaftlich Sinn und eine größere Solarwärmeanlage auf dem Dach bedingt meist eine Dachsanierung und neue Leitungen, die man nicht immer minimal invasiv durch den Schornsteinschacht legen kann.

Sanierung ist machbar, Herr Nachbar

Nun ist es gewiss nicht so, dass die Auf der Hand liegenden Lösungen technisch nicht machbar wären. Es gibt inzwischen für beinahe jedes Haus in jeder Lage ein technisch schlüssiges energetisches Sanierungskonzept. Allerdings muss man eben das nötige Kleingeld dafür haben und eine Fachfirma, die die gewählte Lösung dann auch zeitnah installieren kann. Wohneigentümergemeinschaften (WEG) stehen dazu noch vor einem ganz anderen Problem. Sie müssen in aufwendigen Entscheidungsfindungsprozessen auf Versammlungen mit den nötigen Mehrheiten die Weichen für entsprechende Sanierungsmaßnahmen stellen und die Widerstände dabei sind oft enorm. Abgesehen von der bereits erwähnten „Der alte Kessel läuft doch noch“-Haltung müssen progressive Miteigentümer es mit zahlungsunwilligen und zuweilen auch zahlungsunfähigen Nachbarn aufnehmen. Denn meist recht sich nun, dass viele WEGs über Jahre zu wenig in die Rücklagen eingezahlt haben oder gar nicht erst eine solche gebildet haben. Meist trifft man in diesen Kreisen eine erschreckende Naivität im Umgang mit Immobilieneigentum an. Es herrscht teilweise der Irrglaube, nach der Entrichtung des Kaufpreises und der Abzahlung des Kredites müsse man nie wieder etwas laufend bezahlen – bis einem dann nach 25 Jahren der Heizkessel um die Ohren fliegt. Hinzu kommt ein demographisches Problem: In vielen Quartieren sind die Eigentümer, die damals in Zeiten des endlosen Wirtschaftswachstums der alten Bundesrepublik ihre Wohnung erworben haben, inzwischen so alt, dass sie es aus bis zu einem gewissen Grad verständlichen Erwägungen nicht mehr einsehen, ihr Heim noch einmal grundlegend zu sanieren. Das sind dann jene Ehepaare, die noch die grün-gelbe Blümchentapete aus den 70ern im Wohnzimmer haben. Oft ist dann der Mann des Hauses auch schon verstorben und die Witwe überblickt die Gemengelage gar nicht mehr. Manchmal gibt es im hohen Alter aber auch zusätzliche finanzielle Probleme, weil die betreffenden Eigentümer keine Kredite mehr erhalten und die fällige Sonderumlage der WEG nicht aus der Haushaltskasse bestreiten können.

Kurzum und zusammengefasst: Bundeswirtschaftsminister Habeck wird sich mit seinen Amtskollegen aus dem Bau- und Finanzressort sehr bald zusammensetzen müssen, um den Aufbruch der Wohneigentümer in ein Sanierungs- und Ertüchtigungszeitalter zu flankieren. Und nein, die bereits geltenden Zuschussregelungen mit bis zu 40 Prozent der anrechnungsfähigen Kosten reichen da bei weitem noch nicht, weil eben viele Baumaßnahmen, die im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung verbunden sind, gar nicht förderfähig sind aber dennoch passieren müssen. Bis all diese Dinge aufeinander abgestimmt und die berechtigten Interessen ausgeglichen sind, wird so mancher Hauseigentümer noch zum Heulen in den eigenen Heizungskeller gehen müssen.

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