Wenn Weltuntergang und Blackout ausfallen

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Foto oben: Thermenspaß im Bayerischen Staatsbad Bad Steben. Von Energiekrise war hier zwischen den Jahren keine Spur.

Der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller gab dieser Tage Entwarnung und sorgte damit zugleich für das Eingeständnis, dass er in zahlreichen früheren Einschätzungen die Gefahrenlage hinsichtlich einer möglichen Gasmangellage in diesem Winter deutlich überschätzt hat. Nun hieß es – noch immer ziemlich am Anfang dieses Winters – von ihm: „Ich rechne nicht damit, dass diesen Winter noch etwas schief geht“.

Nach anderen Medienberichten geht die Fehleinschätzung der Bundesregierung in diesem vermeintlichen „Notstands-Winter“ noch viel weiter. Schon gibt es erste Anzeichen für eine Überversorgung mit genau jenem LNG-Erdgas, das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Sommer und Herbst wohl teils überteuert überall auf der Welt eingekauft hat unter der irrigen Annahme, die Gasspeicher wären schon am Dreikönigstag halb leer.

Ich war in einem anderen Beitrag dieses Blogs bereits im Sommer sehr skeptisch, ob das allgemeine Sirenen-Geschrei im Hinblick auf diesen Winter gerechtfertigt ist, oder es sich dabei nicht doch eher um die typische „German Angst“ handelt. Nun haben wir fast Mitte Januar, der sogenannte Winter ist rekordwarm und die Gasspeicher füllen sich sogar noch leicht oberhalb der 90-Prozent-Marke anstatt sich wie befürchtet rapide zu leeren.

Nützliche Angstmacherei?

Szenenwechsel. Im oberfränkischen Weißenstadt warnt die erst vor wenigen Jahren eröffnete Therme „Siebenquell“ ihre Besucher in den Weihnachtsferien mit theatralischen Worten vor der Energiekrise. Auf vielen Schildern an Wänden und Glastüren steht zu lesen: „Wie alle Unternehmen sind auch wir in der Energiekrise von der Regierung aufgerufen, Energie zu sparen (…).“ Heißt dann konkret, dass zwei Saunen im Außenbereich „aus energetische Gründen“ geschlossen sind und das beheizte Außenbecken in der Therme hat man gleich ganz entleert und damit ebenfalls außer Betrieb gesetzt. Und es wird noch grotesker: Im Gegenzug öffnet die Therme zwei Stunden früher als sonst, womit Saunen früher und damit stromintensiver beheizt werden müssen. Es drängt sich also hier wie anderswo der Verdacht auf, dass Ukraine-Krieg und Energiekrise auch gern mal für PR-Zwecke genutzt werden, mancherorts vielleicht gar für nicht unbedingt erforderliche Preiserhöhungen. Darauf hat man in Weißenstadt beim privaten Thermenbetreiber immerhin verzichtet, wie man wiederum auf den vielen einlaminierten Schildchen effektvoll betont.

Interessant dagegen, was zeitgleich im rund 60 Kilometer nordwestlich gelegenen Bad Steben passiert – beziehungsweise was dort nicht passiert. Denn da betreibt die sogenannte „Regierung“, die die Bad-Betreiber in Weißenstadt zitieren, das „Bayerische Staatsbad Therme Bad Steben“. Dort jedoch spürt man von der Energiekrise gar nichts, alle Saunen sind geöffnet, die Öfen knistern vor sich hin und lediglich für einen eingeschränkten Gastronomieservice entschuldigt man sich vorsorglich wegen temporär hoher Krankenstände in der Belegschaft. Das hat aber nichts mit der Energiekrise zu tun und ich spüre dann auch im Thermenrestaurant überhaupt nichts davon. Im Gegenteil: heiße Spaghetti Bolognese und gekühltes Weißbier stehen flugs auf meinem Tablett bereit. Da scheint die „Regierung“ ihren eigenen Appell ja wohl überhört zu haben, oder man hatte im 60 Kilometer entfernten Weißenstadt akuten Bedarf nach einem Sündenbock für eigentlich hausgemachte Probleme.

Was bleibt, sind horrende Kosten

Wie auch immer. Es hat ja alles niemand ahnen können. Nur, dass Gas und Strom für Verbraucher unbezahlbar teuer werden könnte – das hat man geahnt und es traf auch so ein. Da hilft auch keine Gas- oder Strompreisbremse, diese staatlichen Eingriffe können den immensen Preisanstieg maximal abmildern und das auch nur vorübergehend. Die Gelackmeierten vor der Steckdose beziehungsweise vor dem Gasherd müssen nun sogar zusehen, wie die Gaspreise im Groß- und Zwischenhandel infolge des wundersamen Überangebots beinahe wieder auf Vorkrisen-Niveau fallen. Und an den Strombörsen gibt es wegen strammer Westwinde teilweise sogar negative Preise, das heißt Händler betteln förmlich darum, dass man ihnen überschüssigen Strom aus den Netzen zieht. Der Verbraucher jedoch, der bleibt in Ermangelung eines kundenzentrierten Preisbildungssystems auf den gestiegenen Preisen sitzen. Es ist ein Marktversagen per excellence und die Politik hat mit ihren Eingriffen zwar viel Staub aufgewirbelt, aber nichts bewirkt.

Auch der Blackout ist bislang ausgefallen

Drastische Fehleinschätzungen gab es aber auch am anderen Ende des politischen Spektrums. Was haben Union und sogar die mitregierende FDP im Herbst nicht vor Blackout und Strommangel in einer befürchteten winterlichen Dunkelflaute gewarnt. Die drei deutschen Atomkraftwerkchen mit ihren vergleichsweise überschaubaren Kapazitäten mussten plötzlich aus der Versenkung zurückkehren und länger laufen. Und der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck – der natürlich in Erklärungsnot geraten wäre, hätte es nun doch einen Blackout gegeben – hat sich um des lieben Koalitionsfriedens Willen auch noch vor den Karren spannen lassen und den verbliebenen Meilern eine neue Restlaufzeit bis April gegeben. Aber auch hier war jegliche Aufregung offenbar fehl am Platze. Deutschland exportierte zuletzt zeitweise sogar weiterhin überschüssigen Strom aus seinem mächtigen Arsenal an erneuerbaren Energien, den beispielsweise die Franzosen dankend abnahmen, weil ihre in die Jahre gekommenen Kernkraftwerke noch immer mit Wartungsproblemen zu kämpfen haben.

Das hielt – Sie ahnen es schon – Energieversorger und sogar kommunale Stadtwerke dennoch nicht von drastischen Preiserhöhungen unter Hinweis auf „enorm gestiegene Beschaffungskosten“ ab. Auch an den Ladesäulen, wo die Verkehrswende mit Elektroautos so dringend stattfinden muss, werden Kunden inzwischen geschröpft. Die Anbieter erhöhen ihre Preise dort neuerdings beinahe täglich. Es herrschen Zustände, die man bisher nur von Tankstellen kannte und als Elektroautofahrer hoffte, für immer hinter sich gelassen zu haben.

Es bleibt der Eindruck eines Betrogenen beim Hütchenspiel. Am Ende gibt es nur verwirrte Verlierer und einen, der den Raibach gemacht hat. Und die zusehende Öffentliche Hand hat natürlich nicht ahnen können, was da vor sich geht.

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